Da standen wir nun wieder, diesmal mit eigener Kletterausrüstung und mit mindestens genau so viel Motivation zum Vorstiegskurs im Eingangsbereich des HighEasts. Unser Trainer wartete schon auf uns und ging mit uns zuerst nach unten in den ruhigeren Shop, in dem wir berichteten wie es uns im letzten halben Jahr klettertechnisch ergangen ist. Im Gegenzug erklärte unser Trainer den Ablauf des Kurses und sagte Chris, dass er auf alle Fälle selbst im Vorstieg klettern kann, es nur beim Sichern problematisch werden könnte und er sich das im Kurs erst einmal anschauen muss.
Anschließend ging es nach oben in den bereits bekannten Kursbereich. Es
folgte etwas Theorie zu den Exen, wie man diese richtig einhängt, auch falls noch keine in der Route vorhanden sind und wie man sich selbst bzw. das Seil wiederum in die Exen hängt.
Danach durften wir verschiedene Arten von Verschlüssen für oben genannte Exen kennenlernen und auch gleich, noch am Boden stehend, probieren diese mit nur einer Hand einzuhängen. Dabei zeigte uns unser Trainer zwei verschiedene Techniken um das Seil in die Exen zu bekommen, sagte aber auch: „Hauptsache (richtig rum) drin“
Richtig rum heißt in dem Fall übrigens, das das Ende an dem man hängt nach vorne/oben aus der Exe raus geht. Die Lernkurve war in dem Fall bei uns beiden etwa identisch, da ja jeder seinen eigenen Weg finden musste um das Seil in die Exe zu klippen, ob man sie jetzt sehen konnte oder nicht.
Dann ging es auch gleich das erste Mal los und ich meldete mich freiwillig zum Klettern. Während ich die Wand langsam hochstieg und versuchte die Exen einzuhängen, positionierte unser Trainer Chris richtig und zeigte ihm wie man Seil im Vorstieg ausgibt.
Normalerweise beobachtet der Sicherer den Kletterer und gibt mehr Seil aus wenn dieser clippen will, genauso wie er Seil wieder einzieht, wenn die Exe geclippt ist. Da beobachten für Chris logischerweise nicht geeignet ist, haben wir uns auf Kommandos geeinigt damit er weiß wann ich clippen möchte und wann das Seil in der Exe ist. Es gibt „clip“ fürs clippen „drin“ für Exe eingehängt und „clip lang“ für weit geclippte Exen oder (manchmal) den Umlenker für den Fall das ich mehr Seil als normal brauche. Danach wurden die Rollen getauscht und Chris war an der Reihe mit klettern. Die erste praktische Erfahrung an der Wand mit den verschiedenen Exen verlief auch für Ihn gut und er stellte fest das diese gar nicht so schwer zu finden sind wie zunächst befürchtet.
Nachdem jeder von uns zwei Mal die Übungsroute im Vorstieg geklettert war, gab es für mich ein Kapitel bzgl. Positionierung des Sichernden, da man ca. eine Armlänge von der Wand weg und vor allem am Anfang der Route versetzt zum Kletterer stehen muss, um im Falle eines Sturzes nicht direkt aufeinander zu landen. Mein Spezialjob als Sehende im Team ist, Chris in der Rolle des Sichernden zu sagen mit welcher Hand ich die erste Exe wahrscheinlich einhängen werde und ihm entsprechend den Platz zu zeigen an dem er sich am besten stellt. Um genau das mit verschiedenen Routen zu üben und natürlich auch zur Abwechslung beim Klettern, wechselten wir zum Abschluss des ersten Tages den Übungsbereich und testeten noch zwei weitere Routen im Vorstieg.
Am zweiten Tag stand noch mehr Klettern, diesmal unten in der Halle, und die obligatorischen Sturzübungen auf dem Programm. Wir wiederholten zuerst das Stürzen im Toprope, dabei fiel Chris mit ordentlich Schlappseil ca. 5m und ich wurde fast bis zur ersten Exe hochgerissen. Deswegen durften wir dann spontan den Edelrid Ohm testen, mit dem es möglich ist, auch einen deutlich schwereren Partner zu sichern.
Mit verbauten Ohm sprang Chris drei Mal im Vorstieg, mit verschieden viel Schlappseil und verschiedenen Abständen zur letzten eingehängten Exe ab. Da ich dabei nur einige cm vom Boden abhob und damit der Sturz ins Seil für Chris relativ hart war, machte unser Trainer den Vorschlag das ganze nochmal ohne Ohm zu wiederholen. Siehe da, mit für den Vorstieg normalen Schlappseil wurde ich jetzt gerade mal 30 cm nach oben gezogen. Damit bekamen wir die „Erlaubnis“ auch ohne Ohm zu klettern, sollten aber sicherheitshalber immer die erste Exe aushängen.
Die letzte halbe Stunde des Kurses bestand wieder aus eigenständigem Klettern unter Aufsicht unseres Trainers. Danach war der Kurs auch schon vorbei und wir erhielten den schon bekannten Rat „viel hilft viel“ und „einfach immer weiter klettern“
Da man ja immer auf seine Trainer hören soll, gehen wir immer noch ein bis zweimal die Woche klettern. Die Fortschritte sind zwar nicht mehr von Mal zu Mal spürbar wie am Anfang, aber trotzdem vorhanden. Eine 4(+) bringt uns jedenfalls nicht mehr ins Schwitzen und wird gerade mal so noch zum Aufwärmen oder Ausklettern genommen.
Zu den Sicherheitsbedenken bzgl. eines blinden Sichernden im Vorstieg kann ich aus meiner, natürlich subjektiven, Sicht folgendes sagen:
- Wann immer ich (am Anfang) nach unten geschaut habe um das Schlappseil zu kontrollieren, war das total umsonst. Es gab nicht einmal einen Grund zu sagen, „zieh mal das Seil nach“ oder ähnliches.
- Wir hatten bis Dato zwei Mal falsch eingehängte Exen, dabei war ich der Sicherer und jedes Mal hat es Chris als Kletterer zuerst, kurz nach dem clippen, gemerkt.
- Die Seilkommandos funktionieren gut, auch wenn es mal lauter ist in der Halle
- Seilausgeben ist Gewohnheitssache, was am Anfang etwas haklig war, ist jetzt praktisch Routine. Chris sieht zwar nicht wenn ich nach dem Seil zum Einhängen greife, trotzdem habe ich fast immer denselben Rhythmus und ziehe in etwa immer dieselbe länge an Seil (habe ich mir sagen lassen)
- sich sichern lassen hat mehr mit Vertrauen zu tun, weniger ob der Partner sehen kann oder nicht
Was für uns so funktioniert, muss natürlich nicht zwangsläufig bei jedem der Fall sein, am besten ist immer selber ausprobieren und sich für den Anfang einen erfahrenen Trainer/Kletterer zu holen, der sich auskennt und entsprechend Tipps geben kann.
Wer sich unsicher ist ob klettern das richtige ist, keinen Kletterpartner hat und/oder nicht gleich in einen Topropekurs investieren will, sollte sich nach Schnupperklettern in der Kletterhalle seiner Wahl erkundigen. Viele Kletterhallenbetreiber haben auch inklusive Klettergruppen, hier bei Interesse Google zu fragen oder direkt beim Hallenbetreiber anrufen dürfte, aufgrund der verschiedenen Angebote, das einfachste sein.
Zum Abschluss noch ein paar Sprüche aus der Kletterhalle
Ausreden für Route nicht geschafft:
- Griff zu weit weg (Alex)
- Keinen Griff/Tritt mehr gefunden (Chris)
- Bin zu klein (Alex)
- Bin zu groß (Chris)
- Routenbewertung stimmt nicht (beide)
Noch mehr davon:
Vorteile wenn man einen blinden Kletterpartner hat:
- Man kann immer die Route aussuchen
- Alle gewählten Routen sind auf Nachfrage mit total einfachen Griffen versehen
- Man kann selber bei der Route mogeln ohne das der Partner es sieht
- Man kann dem Partner sagen er mogelt mit den Griffen oder Tritten wenn er in der Route weiter kommt als man selber
sonstige aufgeschnappte Weisheiten:
Routen gibt’s in drei Schwierigkeitsgraden, „zu leicht“, „schaff ich gerade so“ und „geht gar nicht“
Das ist mein Seil, du darfst mir ruhig mehr davon geben!
Hallo, in unserer Klettergruppe gibt es einen blinden Kletterer. Im Toprope habe ich schon lange keine Bedenken mehr, mich von Ihm sichern zu lassen. Gestern habe ich mich dann zum ersten Mal getraut, mit Ihm im Vorstieg zu kletten. Heute bin ich auf Euren Blog-Beitrag gestossen und muss sagen, Ihr macht mir Mut, mich mehr zu trauen, denn auch hier gilt „Übung macht den Meister“. Danke für den Artikel. Grüße Joachim
Hallo Joachim,danke für deinen Kommentar auf unseren Blogeintrag.Ich muss sagen, dass ich als Blinder das Sichern überhaupt nicht schwierig finde, egal ob für jemanden im Vorstieg oder im Top Rope. Je leichter derjenige ist, den ich sichern soll, desto weniger Sorge habe ich, aber das gilt denke ich generell. Ich gehe oft mit Alex und noch einer Bekannten klettern und beide lassen sich von mir sichern und haben denke ich keine Sorge dabei :-). Hier in München gibt es noch weitere Klettergemeinschaften, wo ein Partner blind ist, von denen weiß ich auch, dass der Blinde sichert oder im Vorstieg klettert.Man bekommt als Blinder gut über die Bewegungen des Seils mit, was der Kletterer macht, ob es ihn einfach fällt und ob er schnell vorankommt, oder ob er sich gerade schwer tut und länger braucht. Und je besser man den Kletterpartner kennt, desto besser wird das mit dem Gefühl :-).Schwierig ist eigentlich nur den richtigen Zeitpunkt zum Absprung zu finden, wenn der Kletterer mal stürzt und wenn man mit dem Sprung verhindern möchte, dass der Kletterer nicht mit voller Wucht ins Seil fällt. Aber das Stürzen bzw. fallen lassen kann man ja auch üben…Auch als Blinder im Vorstieg zu klettern ist nicht wild, wenn man es sich zutraut und wenn man sich an die Regeln hält, die man beigebracht bekommen hat. Die Exen findet man meistens ganz gut und bekommt nach und nach auch ein Gefühl dafür, in welchen Abständen und wo sie ungefähr hängen, jedenfalls bei uns in der Halle. Und man fängt ja in der Regel erst mal mit leichten Routen an, das haben wir jedenfalls so gemacht, wodurch der sehende Partner, der unten sichert, auch immer schauen kann, ob das Seil richtig herum eingehängt ist, sagen kann, wo sich die nächste Exe befindet, etc.Ich selbst hatte bis jetzt zwei blöde Erlebnisse im Vorstieg, wo es nicht gefährlich war, aber trotzdem nicht ganz so gut gelaufen ist, weshalb ich im Moment meistens wieder im Top Rope klettere bzw. mich damit wohler fühle, aber ich werde irgendwann auch wieder mit dem Vorstieg weitermachen….Wo klettert ihr denn und wie oft?Ciao und viele Grüße aus München, Chris